Gedanken zum Straßenprojekt S1 mit Lobautunnel

Ein Kommentar von Mag. Dr. Gerald Hanninger, Naturwissenschaftler, aufgewachsen in Stadlau, wohnhaft in Essling und von Kindheit an ein großer Fan der Lobau:

“Am 5. Februar 2025 veröffentlichte das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) den Umweltbericht der “Strategischen Prüfung Verkehr” betreffend den S1-Abschnitt Schwechat – Süßenbrunn, beinhaltend den Lobautunnel.

Auf mehr als fünfhundert Seiten wurden in dem vom Umweltbundesamt in Kooperation mit den Technischen Universitäten Graz und Wien erstellten Bericht unter anderem die ökologischen Auswirkungen des geplanten S1-Ausbaus mit Tunnel und Alternativen untersucht.

Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass die im Bundesstraßengesetz vorgesehene Variante in fast allen untersuchten Belangen den Alternativen unterlegen ist. Die Umsetzung des Straßenbauvorhabens und des Tunnels würde zusätzliche Verkehrsbelastungen verursachen und damit zu negativen Auswirkungen auf Umwelt, Klima und die Raumstrukturen führen. Stattdessen solle unter anderem der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.

Das sind, kurz gefasst die Kernaussagen des Berichts. Er wurde medial breit geteilt und, wenig verwunderlich, unterschiedlich kommentiert. Während alle NGOs, von WWF, über Virus bis VCÖ die Ablehnung des Tunnels begrüßen, sind sich ÖVP, SPÖ und FPÖ einig, dass der Tunnel kommen muss.

Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Argumente der drei genannten politischen Parteien nicht neu und wenig überzeugend. Verkehrspolitik zum Vergessen.

Dass ich im Folgenden nur die Argumentation der FPÖ kritisiere, liegt an der Unverfrorenheit des Verkehrssprechers der Wiener FPÖ, der in seiner Presseaussendung massiv Unwahrheiten verbreitet hat.

Ich mache kein Hehl daraus, ich lehne den Lobautunnel aus tiefster Überzeugung ab, weil er keines der Verkehrsprobleme der Ostregion lösen würde, weil er märchenhaft teuer wäre und weil ich die Meinung vertrete, dass ohne massive Einschränkung des Individualverkehrs die Erderwärmung nicht in den Griff zu bekommen ist.

Österreich hat bereits das dichteste Straßennetz aller EU-Staaten, sagenhafte 128.000 Kilometer. Dazu kommen 218.000 Kilometer an Forststraßen.

Und da wollen die weiter Straßen bauen, sind die noch ganz dicht?

Nun gut, die FPÖ meint, der Lobautunnel würde die Südosttangente um 77.000 Autos pro Tag entlasten und zu weniger Stau dort führen. Das würde zu weniger CO2, weniger Feinstaub und weniger Lärm führen. Man muss nicht lange nachdenken, um das als Milchmädchenrechnung zu entlarven.

Denn die 77.000 Autos verschwänden ja nicht, sondern sie führen nur woanders, nämlich einige Kilometer weiter östlich auf der S1.

Woher die FPÖ die Zahl 77.000 nimmt, weiß nur sie, plausibel ist sie jedenfalls nicht.

Warum sollte jemand, der in Essling wohnt, zukünftig den Umweg durch den Tunnel nehmen?
“Nein, das machen eh die anderen, ich fahre weiterhin die kürzere Strecke über die Tangente.”

Und warum nimmt die FPÖ an, dass es auf der S1 und im Tunnel nicht stauen wird? Straßen ziehen Verkehr an und die Wiener Nordostumfahrung würde massiv LKW-Transitverkehr anziehen. Wir hätten also mehr Verkehr als jetzt, und wer derzeit auf der Tangente im Stau steht, würde dies zukünftig auf der S1 und der A4 tun. Wo soll da die Entlastung sein?

Wir entlasten die Bewohner von Essling und Aspern, dafür belasten wir die Bewohner von Groß Enzersdorf und Raasdorf.

So sieht zeitgemäße Verkehrspolitik aus? Ich glaube nicht. Entlastung wird es nur geben, wenn Autos NICHT fahren, nicht wenn sie woanders fahren.

Man muss kein Prophet sein, um folgendes vorherzusehen: Käme der Tunnel, dann würden mehr Autos und LKW im Osten von Wien unterwegs sein, diese würden mehr CO2, Staub und Lärm verursachen – und nicht weniger. Für die laut FPÖ geplagten Bürger änderte sich nichts, außer dass wahrscheinlich an die vier Milliarden Euro für nichts ausgegeben und 178 Hektar hochwertiges Ackerland vernichtet wurden.

So sieht die Verkehrspolitik der FPÖ aus; dogmatisch an einem zwanzig Jahre altem Konzept festhalten, das von veränderten Rahmenbedingungen und der Zeit längst überholt wurde. Das ist politische Steinzeit und einfach nur peinlich. Aber von einer Partei, die allen Ernstes im Jahr 2025 Tempo 150 auf Autobahnen propagiert und den menschengemachten Klimawandel in Zweifel zieht, ist wohl nichts anderes zu erwarten.”

 

Kommentare

  • <cite class="fn">Helmut Sattmann</cite>

    Danke für den engagierten und gut argumentierten Kommentar. Allerdings sollte man auch deutlich sagen, dass die Wiener SP, die gesamte VP und die Wirtschaftsgranden der Neos auch für diesen fatalen Tunnel lobbyieren. Dieses verblödete Projekt kann derzeit nur von einer konsequenten Zivilgesellschaft verhindert werden. Genauso wie die Rettung der Lobau

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